San Marco: Triests Literatencafé

Ein Kaffeehaus im Stil der Wiener Sezession als höchst lebendiges Kulturdenkmal – seit 1914.

Bis auf eine kleine Änderung wirkt dieses große Kaffeehaus so, als wäre die Zeit seit 1914 nicht stehen geblieben: Ein Teil ist heute eine Buchhandlung – so etwas passt ja perfekt zu einem Literatencafé. Ansonsten ist auch nach der Neuübernahme durch Alexandros Delithanassis und einer ganz sanften Renovierung alles gleich geblieben: Jugendstil vom Feinsten mit Stuckatur-Dekorationen in Form von dunkelbraunen Blättern, Masken aus der Commedia dell’arte als Dekoration an den Säulen, lederne Sitzbänke, Thonet-Stühle und Marmortische, einer zentral zu sehenden Art Bahnhofsuhr und wunderschönen Kandellabern. Ganz so, wie man sich Kaffeehäuser in Wien oder in Budapest vorstellt. „Wir haben eigentlich nur die Möbel restauriert, die Sitzbänke neu bezogen und die Wandfarbe etwas aufgefrischt“, erzählt der Mitt-Vierziger, dessen Vater Anfang der 1970er-Jahre vor der Militärdiktatur aus Thessaloniki nach Triest floh – und blieb. 

Politisch spielte das San Marco schon immer eine Rolle. In der Endphase der Zugehörigkeit Triests zur Habsburger-Monarchie trafen sich hier die Irredentisten (der Name des Kaffeehauses und der am Mobiliar allgegenwärtige Markuslöwe verweisen darauf), um Umsturzpläne zu schmieden und gefälschte Pässe herzustellen. Darum wurde es auch von pro-österreichischen Kräften verwüstet, als Italien im Mai 1915 in den Ersten Weltkrieg eintrat. Nach 1918 wurde das San Marco zum Literatencafé, in dem Schriftsteller wie James Joyce, Italo Svevo und Umberto Saba verkehrten und an ihren Werken arbeiteten.

Geschrieben wird im San Marco noch immer, sowohl mit der Hand als auch mit dem Laptop. Und zwar in erster Linie von Studenten, die hier (untypisch für Triest!) Stunden bei einem Cappuccino verbringen. Der Tisch am Ende ersten großen Saales rechts vom Eingang ist aber fast täglich für einen Granden der Literatur reserviert, für Claudio Magris. Es ist der Stamm- und Schreibtisch des emeritierten Germanistikprofessors der Universität Triest, Herausgebers vieler Anthologien und Autors von Essays und Romanen, die zum Teil hier entstanden. 

Alexandros hat zwar die Kaffeekultur so belassen wie sie immer war – typisch triestinisch, selbst wenn die uralte Espresso-Maschine heute nur noch Schmuckstück ist. So kostet der Steh-Kaffee an der Theke einen wohlfeilen Euro. Aber mit ihm, dem ehemaligen Lehrer, und seiner Frau, der früheren Pressesprecherin, ist ein frischer Wind eingezogen, der sich auch in der Küche bemerkbar macht. Mittags und Abends wird nun aufgekocht, und zwar sehr gut, mit frischen Zutaten und täglich wechselnden kleinen Speisen. Und dazu gibt es nicht nur Kaffee, sondern auch eine handverlesene Auswahl der besten Weine der Region.

Antico Caffè San Marco, Via Cesare Battisti, 18, I-34125 Trieste
Di bis Do 8.30 bis 23.00, Fr, Sa  8.30 bis 23.45 Uhr, So 9.00 bis 22.00 Uhr
Tel. +39-040-064-1724
www.caffesanmarco.com

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