Nach schwierigen Zeiten erlebt der Olivenanbau in und um Triest gerade wieder eine Renaissance, mit der auch eine Wiedergeburt des Olivenöls der Region als hochwertiges und deshalb mit geschützter Ursprungsbezeichnung („Tergeste DOP“) versehenes Qualitätsprodukt einher ging. Die Anbaufläche ist im Vergleich zu anderen Regionen gering: Insgesamt sind es gerade einmal 120 Hektar, 80 davon im (eingemeindeten) Gebiet von San Dorligo.
Ein Qualitätsprodukt in kleinen Mengen. Vor allem der harte klimatische Kontrast zwischen dem kalten Karstgebirge und der stets wärmeren Adria ist der Grund, dass nicht einmal zwei Prozent des in Italien produzierten Olivenöls aus Friaul Julisch Venetien – und davon nur ein kleiner Teil aus Triest und Umgebung – kommen. Doch genau dieses Klima macht die Früchte der Bäume hier besonders geeignet für gute und würzige Öle. Die einzelnen Olivenhaine sind recht klein und bei Anbau und Pflege der Bäumewird zum allergrößten Teil sehr auf Mutter Natur vertraut: Manchmal ist es zu kalt, manchmal zu trocken, und manchmal wird Dacus Oleae, die gemeine Olivenfliege, ihrem Namen gerecht und macht der kompletten Ernte eines Landwirts den Garaus. Denn mit aufgesprühten Kupferpräparaten oder gar Insektiziden die Abwehrkräfte der Pflanzen zu stärken, ist für die Bauern der Region kein Thema.
Auch auf künstliche Bewässerung verzichten die meisten völlig. Wachstum und Reifen der Früchte soll so natürlich ablaufen wie nur möglich. Die Folgen: Olivenöl aus Triest ist also hervorragend – und ganz sicher kein Massenprodukt, das Jahr für Jahr und das ganze Jahr über in gleichbleibender Qualität erhältlich ist. Es ist deshalb auch nicht in großen Handelsketten gelistet und außerhalb von Triest auch nur in ganz wenigen ausgewählten Delikatessengeschäften zu bekommen.
Die Öle aus Triest sind grundsätzlich fruchtiger als die aus dem Süden, haben etwas mehr Säure und passen perfekt zu Rohkost und Salaten, Gemüse – und vor allem Fisch.
Zuerst kam der Niedergang. Der Winter 1928/29 ging als Rekordwinter in die italienische Geschichtsschreibung ein. Die extrem tiefen Temperaturen beendeten am Gardasee die Jahrhunderte alte Tradition des Anbaus von Zitronen, und in Triest und Umgebung vernichtete der Dauerfrost nahezu alle Olivenbäume. Weil niemand neue anpflanzen wollte und nach dem zweiten Weltkrieg eine Landflucht einsetzte, schloss 1958 die letzte Ölmühle. Die paar Bauern, die aus Früchten der wenigen verbliebenen Bäume noch geringe Mengen Öl für den Eigenbedarf produzieren wollten, mussten bis Bassano del Grappa fahren, um ihre Oliven pressen zu lassen.
Dabei hatte Öl aus Triest eine lange Tradition. Die Römer, die im Val Rosandra ihre Olivenhaine pflegten, waren nicht die ersten. Wahrscheinlich haben schon die Phönizier und Griechen, die vor ihnen ankamen, an der Küste des heutigen Triest Oliven gepresst. Der Anbau von Oliven in der Region wird durch unzählige Quellen aus dem Mittelalter belegt. Im historischen Stadtkern Triests findet sich sogar ein Hauseingang aus dem 16. Jahrhundert, der sich „Presse neben der Piazza Cavana“ nennt. Und in der Habsburger-Ära wurde die Stadt, bedingt durch den Ausbau des Hafens und den Wandel zur Handels-Metropole, zu einem der wichtigsten Plätze für den Öl-Anbau. Selbst im 19. Jahrhundert, in dem die die Eisenbahn (Südbahn Wien–Triest) und die Schiffsschraube (in Triest erstmals erprobt) ihren Durchbruch feierten, ist dem Anbau von Wein und Öl noch ein eigenes Kapitel in einem Entwurf für ein Grundgesetz für Triest gewidmet.
Die Renaissance des Olivenanbaus in Triest. Es war im Jahr 1977, als fast 20 Jahre nach Schließung der letzten Ölmühle in San Dorligo bei Triest die erste der Region wieder aufsperrte. Mitte der achtziger Jahre nahm man den systematischen Anbau von Oliven wieder auf. Die Region richtete Kurse aus, um die Rekultivierung zu fördern. So richtig los ging alles jedoch erst nach dem frostigen Winter 1983/84, der dem Projekt einen herben Rückschlag bereitete. Die Haine der Pioniere liegen vor allem zwischen dem Rosandratal und dem Meer, auf den Hügeln, die Muggia umgeben, an vielen anderen Orten an der Küste bis hin zu den Klippen von Duino. Da die Oliven auf mehr oder weniger kargem Boden wachsen, hilft der Olivenanbau optimal bei dessen Bewirtschaftung und trägt so zur Rekultivierung landwirtschaftlich heruntergewirtschafteter Zonen bei.
Extrem aufwändig: die Ernte. Die Ernte in den Olivenhainen, die rund um Triest zwischen Mitte Oktober und Anfang Dezember erfolgt, geht prinzipiell händisch vonstatten. Der gerade in dieser Region häufige Wind sorgt zuvor für eine natürliche Auslese: Angefressene und faule Früchte fallen vom Baum und werden bei der Ernte einfach liegen gelassen. Vier Personen benötigen rund eineinhalb Stunden für einen Baum – und der Ertrag eines Baumes beträgt rund 15 Kilo Oliven.
Die vom Baum gepflückten Oliven müssen möglichst sorgfältig behandelt und möglichst schnell gepresst werden. Spätestens 48 Stunden nach der Ernte sollten die Früchte in der Mühle sein. Triests Olivenbauern ist das immer noch zu lang: 12 Stunden ist ihr Grenzwert. „Olivenernte ist der pure Stress. Man muss Tag und Nacht durcharbeiten“, sagt Vitjan Sancin, einer der Pioniere des Ölwunders von Triest.
In Regionen, in denen man auf Massenproduktion von Olivenöl setzt, bedeckt man hingegen den Boden unter den Bäumen mit Netzen um die herab gefallenen Oliven damit einfach aufsammeln zu können. Das ist aus zwei Gründen abzulehnen: Erstens verkürzt das Reife-Enzym, das der Olive das Kommando zum Abfallen gibt, die Lebensdauer des Öls. Und zweitens: Wollte man mit dieser Methode höherwertiges Öl gewinnen, müsste man die faulen Oliven von den guten trennen. Das wäre nur händisch machbar und damit für die Massenproduktion zu teuer. Deshalb kann dieses Öl nicht mehr als „extra vergine“ (das ist die höchste Qualitätsstufe) verkauft werden. Was, wie Konsumentenschutz-Organisationen nachgewiesen haben, dennoch geschieht – und zwar „aufgebessert“ mittels Chemie-Einsatz. Deshalb ist billiges Olivenöl aus dem Supermarkt keine gute Wahl.
Die Pressung. Die Öl-Ausbeute beträgt in der Region Triest nur 12 Prozent pro Kilogramm Oliven. Ein Baum bringt also höchstens ein bis zwei Liter Olivenöl. Eine Ölmühle ist übrigens nur im Film ein romantischer Ort. Die Zeiten, in denen große grobschlächtige Mühlsteine in Scheunen zum Einsatz kamen, sind längst vorbei. Heute sind Hygiene und High Tech angesagt – und Edelstahl statt Stein. Die Aufgabe der Ölmühle besteht darin, das Öl, das in Millionen kleinster Tröpfchen im Fruchtfleisch der Olive verteilt ist, freizulegen. Dann wird der so durch das Mahlen entstehende Brei geknetet und schonend umgewälzt. Dabei sondert sich das erste Öl ab. Anschließend wird der Brei noch gepresst – dabei werden Fruchtwasser und Öl von den Feststoffen befreit. Auch dabei ist nichts mehr romantisch: Statt mit Schichten von Pressmatten arbeitet man heute mit modernen Zentrifugalpressen, die unerwünschte oxidative und mikrobiologische Prozesse verhindern.
Über das Pressverfahren sind viele falsche Informationen im Umlauf: Etwa dass die zweite Pressung deutlich grüner und kräftiger im Geschmack ist. Nur dass heute in Ölmühlen nur noch eine einzige Pressung erfolgt, wissen die wenigsten. Weitere Pressungen aus Pressrückständen werden niemals in Ölmühlen, sondern nur in Industriebetrieben vorgenommen. Und die gibt es, zumindest was Olivenöl betrifft, nirgendwo in der Region Triest. Die Temperatur des Olivenbreis sollte bei der Pressung 27 Grad aufweisen. Nur dann spricht man von einer „Kaltpressung“. Über 32 Grad verliert das Öl seine Fruchtigkeit und schmeckt dünn und wässrig.
Stein oder nicht Stein? Entkernen oder nicht – an dieser Frage scheiden sich die Geister. Selbst ausgewiesene Experten für Olivenöl sind da nicht einer Meinung. Die Idee, die Kerne der Früchte vor dem Pressen zu entfernen, war schon in der Antike bekannt – und hatte einen einfachen Grund: Öl aus entsteinten Oliven verträgt Wärme besser und lässt sich deshalb auch problemloser und länger lagern. Heute weiß man, warum: „Steinlose“ Olivenöle enthalten höhere Anteile an Antioxidantien. Ein Geschmacksvergleich des deutschen Gourmet-Magazins „Der Feinschmecker“ brachte folgendes Ergebnis: Leichtere Sorten gewinnen durch Entsteinen an Aromatik, kräftigere werden unausgewogener.
Sortenrein oder nicht? Auch die Frage, ob sortenreines Olivenöl den Mischungen aus mehreren Sorten vorzuziehen sei, entzweit Experten und Produzenten. Der 2004 verstorbene Weinkritiker Luigi Veronelli etwa trat vehement für Reinsortigkeit ein. Der vom „Feinschmecker“ unter die besten Produzenten Europas gereihte Vanja Dujc aus dem 45 km von Triest entfernten Koper hingegen sieht in der Sortenreinheit eher eine Mode-Erscheinung. Auf alle Fälle gilt: Jeder sollte möglichst viele Öle – entsteint oder nicht entsteint, reinsortig oder Cuvées, probieren, um seine persönlichen Favoriten heraus zu finden. Und diese dann wiederum auf ihre Harmonie zu verschiedenen Gerichten testen. Womit also feststeht, dass auch in Sachen Olivenöl probieren über studieren geht.