Ganz schön (&) spektakulär: die Triestiner Küstenstraße

Was für die Bewohner von Los Angeles der Highway Number One und für die Menschen, die in Nizza leben, die Corniche, ist den Triestinern ihre Strada Costiera – die Küstenstraße zwischen der Adria-Hafenstadt und dem Seebad Sistiana. „Die“ Traumstraße der Adria wurde 1928 eröffnet.

1928, als die Küstenstraße (Strada Costiera) gebaut wurde, hatte der Hafen von Triest seine Blütezeit bereits überschritten. Die Südbahn, die die Adria-Hafenstadt mit Wien verband, war seit 71 Jahren in Betrieb, und sogar einen Wasserflughafen gab es – in der Nähe des Alten Hafens (Porto Vecchio).

Schöne Aussichten. Wenn man sich von Udine kommend und das Seebad Sistiana hinter sich lassend der Stadt nähert und das erste Mal das Meer vor Augen hat, empfängt einen eine atemberaubende Aussicht: Der Blick streift den Golf entlang vorbei an Piran und Isola, man sieht die Hügel des Karsts, die weiße Stadt Triest und das Schloss Miramar. Wenn man den Blick zur Steilküste lenkt, erblickt man Santa Croce, das alte Dorf der Fischer, das 200 Meter über dem Meer am Fels kauert. Weiter unten, wo die Klippen ins Meer zu stürzen scheinen, sieht man kleine Buchten und Galerien aus Fels.

In der anderen Richtung sieht man das Schloss von Duino, die Werft von Monfalcone mit den gigantischen Trockendocks, die Flussmündung des Isonzo, den Campanile von Aquileia und Grado mit seiner Lagune – dort scheinen die Inseln auf dem Meer zu tanzen.

Weiter in Richtung Triest bietet der Parkplatz vor dem Hotel Riviera einen wunderschönen Ausblick auf das offene Meer. Den gleichen übrigens, der sonst nur den Gästen des über 110 Jahre alten Traditionshauses, das erst nach dem Bau der Küstenstraße bequem zu erreichen war, vorbehalten ist: Er reicht von Istrien bis Grado, und hinter der Silhouette von Schloss Miramar leuchten abends die Lichter der Stadt.

Faszinierende elf Kilometer. Bevor die Küstenstraße im Jahr 1928 verwirklicht und im gleichen Jahr vom US-Magazin „Life“ als schönste in Europa bezeichnet wurde, konnte man, wenn man von Venedig nach Triest reisen wollte, nur zwischen einer Schiffsreise und einer Zugsfahrt wählen.

Bis im Juli 1966 die Autobahn Venedig–Triest eröffnet wurde, war die Staatsstraße (SS14) die Hauptverbindung zwischen den beiden Städten. Die 1928 entstandene „Costiera Triestina“ ist der letzte und spektakulärste Abschnitt dieser 167 Kilometer und 980 Meter langen „Strada Statale 14 della Venezia Giulia“. Sie ist exakt 11 Kilometer und 56 Meter lang (6426 Meter davon sind schnurgerade und 4630 Meter Kurven), und war bei ihrer Eröffnung neun Meter breit (sieben Meter für die Fahrbahn und je ein Meter für die Fußwege).

Die Straße führt in Richtung Triest leicht bergab: von 90,99 m Seehöhe an der Barbarenküste (Costa dei Barbari) bei Sistiana auf 1,40 m bei Barcola.

Drei Galerien setzen auf der SS14 markante Zeichen: Zwei davon (86 und 74 Meter lang) unterqueren den Park von Schloss Miramar, die dritte, die sogenannte „Galleria Naturale“ ist eindrucksvoll in den Fels der Steilküste gehauen, 52 Meter lang und 6,25 m hoch. Sie ist ganz sicher der eindrucksvolle Höhepunkt einer Fahrt auf der Strada Costiera.

Heute spielt die Strada Costiera nur noch im Nahverkehr eine Rolle – ausgenommen für Triest-Touristen, die die Stadt quasi immer dem Meer entlang erobern wollen. Mit der Eröffnung der Autobahn wurde der Schwerverkehr endgültig von der Strada Costiera verbannt. Echte Triestiner nutzen sie vor allem in ihrer Freizeit: als Zufahrt zu kleinen romantischen Badebuchten und Stränden.

Liburnia etwa ist ein gern von Stammgästen besuchter Kiesstrand, eine echte Oase mit Bäumen, Rosen, exotischen Pflanzen und sogar Kakteen. Hier fand man im Jahr 2000 einen bis dahin unbekannten Grottenolm, dessen wissenschaftlicher Name „Proteus Anguinus Laurentii“ den Schriftsteller Veit Heinichen bei der Namensgebung für den Protagonisten seiner Triest-Krimis inspirierte: der heißt ja bekanntlich „Proteo Laurenti“. Der FKK-Strand von Liburnia kann über steile Wege, die von der „Galleria Naturale“ ausgehen, oder vom kleinen Hafen von Aurisina erreicht werden.

Die Barbarenküste ist bei Triests Badegästen weniger gefragt, weil es viel schwieriger ist, zu ihr zu gelangen: Außer mit dem Boot geht das nur mittels Abstieg am Fels – Stahldrahtseile zur Sicherung dabei sind vorhanden.

Ein bekannter Abschnitt der Küste ist auch „Canovella de’Zoppoli“. „Zoppoli“ hießen die aus einem einzigen Baumstamm gefertigten Boote, die hier – ganz so wie auch anderswo am Mittelmeer – bis in die 50er Jahre für die regelrechten Treibjagden auf Thunfische eingesetzt wurden.

Etwas weiter in Richtung Triest befindet sich das „Filterwerk“ an einem kleinen Hafen. Es wurde 1855 von Carl Junger, dem Architekten, der auch das Schloss Miramar entwarf, erbaut. Es erfüllte zwei Aufgaben: Die Triestiner Wasserleitung und die Dampfloks der k&k Südbahn mit dem Wasser eines hier ins Meer mündenden unterirdischen Karstflusses zu versorgen. Der Strand beim Filterwerk, in dem heute das Marinebiologische Institut seinen Sitz hat, ist wegen seiner leichten Erreichbarkeit sehr beliebt: Eine Stichstraße führt hinunter zur gleich beim Strand gelegenene Trattoria Bellariva.

Hinauf in den Karst. Wer sich an den Ausblicken, die die SS14 bietet, satt gesehen hat, sollte die schmale Straße erkunden, die hart am Fels hinauf ins ehemalige Fischerdorf Santa Croce hinaufsteigt. Die hier lebenden Fischer nahmen Jahrzehnte lang allerdings einen kürzeren, noch steileren Weg hinunter zu ihren Booten. Der letzte verbliebene fährt nur noch dann und wann aus – und mit dem Auto auf genau dieser Straße. Ihre Steigung beträgt immerhin 20 Prozent. Immer wieder eröffnen sich völlig neue Blickwinkel, einer spektakulärer als der andere. Oben erwarten einen der Liburnia-Turm aus der römischen Zeit, die Kirche San Rocco (1646) und ein verschachtelter Ort mit pittoresken Häusern – zwischen denen man sich allerdings leicht verirren kann.

 

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