Interview: Veit Heinichen über „Beifang“

Veit Heinichens Commissario Laurenti muss sich in seinem neuen Fall „Beifang“ nicht nur um die Auswirkungen des realen Weltgeschehens auf Triest kümmern, sondern auch tief in lokale Themen eintauchen, die seine Stadt gerade bewegen. Was ihn zum Roman neuen Roman bewogen hat, erzählt er hier im Interview.

Beifang - der neue Triest-Krimi von Veit Heinichen ©Piper In Ihrem neuen Roman „Beifang“ scheint es in erster Linie um lokales Polit-Geplänkel zu gehen. Man erfährt darin alles über die Themen, die Triest zur Zeit bewegen. Gleichzeitig schwebt über allem aber eine weltpolitische Dimension, Stichwort Russland-Sanktionen. Alles hängt irgendwie zusammen. Ist Triest da ein Spezialfall?

Wie immer lässt sich auch hier Triest als exemplarischer Ort in Europa lesen, in diesem Fall sehr stark was die Vermengung von Privatem und Öffentlichem betrifft. Die weltpolitische Lage wird vom einen für seine Geschäfte benutzt, für andere verdüstert sie die Stimmung und erzeugt Befürchtungen, Lähmungen. Die Umwälzung der Gesellschaft drängt sich stark nach vorne.

Gleich am Beginn wird ein Anschlag auf die Oligarchen-Segelyacht „A“ beschrieben, die vor der Stadt liegt, dort nur herum dümpelt und um viel Steuergeld regelmäßig versorgt werden muss. Wie stehen die Triestiner zu dem futuristisch anmutenden Schiff? Ist es für sie schon so etwas wie ein Wahrzeichen oder wollen sie es lieber loswerden?

Über Geschmack kann man angeblich nicht streiten. Das Ding, ein Dreimaster von 143 Metern Länge,  haben wir hier täglich vor Augen, es ist ein Symbol des kältesten Neoliberalismus und dessen zwangsläufige ungeklärte Herkunft der Gelder – immenser Mittel. Wieder ein Symbol für die Vermischung von Privatinteressen und der öffentlichen Hand. Hoffen wir mal, dass er zwar futuristisch anmutet aber nicht eine solche Zukunft vorhersagt.

Wie lange wird die von Philippe Starck designte Sehelyacht wohl bleiben?

Die internationale Rechtslage spricht klar: Man kann die Mittel der sanktionierten Russen nicht enteignen, sondern lediglich einfrieren. Das betrifft Milliarde-Werte auf fast der ganzen Welt und natürlich sehr viele in den attraktivsten Teilen Europas. Solange Krieg und Willkür herrschen, werden wir das Ding nicht los. Und danach? Da gibt es viele Möglichkeiten: Zahlt der Besitzer die in zweistelliger Millionen-Höhe aufgelaufenen Unterhaltskosten zurück oder verliert er sein Interesse daran? Doch wer würde dann einspringen, indem er eine halbe Milliarde Euro hinlegt, die der Bau der SY A gekostet hat?

Im Buch werden auch die Pläne für eine Seilbahn angesprochen, die vom alten Hafen, der gerade renoviert wird, aufs Karstplateau bis zur brutalistischen Kathedrale am Monte Grisa führen soll. Das ist doch ein rein touristisches Projekt, oder?

Auf jeden Fall bindet es die umliegenden Gemeinden nicht an, deren Bewohner es wie die Standseilbahn täglich benutzen könnten. Wenn letztere wieder in Betrieb genommen würde… Wir hoffen alle, dass das bald geschieht.

Wie stehen die Bewohner der Stadt zu dem Projekt?

Schulterzuckend… und zunehmend teilnahmslos.

Gleichzeitig wird schon seit Jahren versucht, die historische Tram hinauf nach Opicina wieder instandzusetzen. Dort oben leben im Gegensatz zur Umgebung der Kathedrale ja richtig viele Menschen. Es scheint aber, dass da nichts weitergeht. Woran liegt das? Wer sind die im Buch erwähnten dunklen Kräfte, die das verhindern?  Liegt es am Unwillen der Politik?

Unwille, Unfähigkeit, Unvermögen, Gleichgültigkeit? Wer weiß?

Im Hintergrund zieht ein korrupter alter Mann die Fäden. Gibt es in Triest ein reales Vorbild für ihn oder ist er tatsächlich frei erfunden?

Raffaele Raccaro steht exemplarisch für eine ganze Kaste, ob hier, in Österreich oder sonst wo.

„Beifang“ endet mit einer traurigen Aussage: Am Stillstand werde am meisten verdient, heißt es da, und mit ihm gewinnt man Wahlen. Keine Besserung in Sicht?

Wie sieht es denn bei Ihnen zu Hause aus? Besserung in Sicht?

Was sich viele fragen: Hört Laurenti wirklich auf? Oder anders herum: Können Sie sich vorstellen, die Roman-Reihe um den Commissario wirklich auslaufen zu lassen?

Immerhin hab ich ihn nicht umgebracht, wer weiß, was er tun wird?

Letzte Frage: Was wird das nächste Projekt sein?

Über ungelegte Eier sollte man nicht reden… oder man soll das Fell des Bären erst verkaufen, wenn man ihn erlegt hat…

Dieses Interview wurde von Veit Heinichen autorisiert und ist honorarfrei verwendbar.
©Triest24.com

Share :
You may also like
Interview - Veit Heinichen
Interview: Veit Heinichen über „Borderless“
Essen & Trinken - Kaffee & Kaffeehäuser - Veit Heinichen
Triests Kaffee-Hafen